12.
Er hing seinen Mantel an die Garderobe und folgte Arkis, in ein großzügiges Wohnzimmer, das exklusiv möbliert war und einlud auf dem großen Fernsehbildschirm ein Fußballspiel zu verfolgen oder es sich in der Sitzlounge mit einem Drink gemütlich zu machen.
Aus einem Nebenraum, erschien eine junge Frau. Sie mochte Angestellte oder Geliebte oder Ehefrau sein.
»Hallo.« Begrüßte sie uns.
»Hallo Liebes«, begrüßte Arkis sie und er bemerkte eine Veränderung in Arkis Tonfall. Er wurde weicher.
Arkis fuhr fort: »Salome das ist Jim. Er ist ein neuer Gast im ›Aarans‹. Außerdem ist er frisch hierher gezogen und sucht noch Anschluss.«
Salome lächelte den Fremden an. Freundlich, aber ohne Wärme. Sie schien es gewohnt, dass ihr Vater fremde Menschen mit nach Hause brachte. Nicht immer schien seine Wahl, in ihren Augen, besonders gelungen.
»Hallo, Jim.« Grüßte sie knapp.
Er erwiderte ihren Gruß unsicher.
Er wusste nicht, was sie in ihm sah. Er hatte sich bislang keine Gedanken darüber gemacht, wie er auf andere Menschen wirkte. Wie alt der Körper war, in dem er sich befand, ob er als angenehm oder hässlich betrachtet wurde. Durch den Blick in den Spiegel wusste er, dass er Mitte Vierzig war und nicht so aussah, dass eine Frau direkt vor ihm wegspringen würde. Ob er Salome gefiel, konnte er nicht einschätzen.
»Habt ihr Linda gesehen?« Fragte sie.
»Ja. Sie kommt gleich. Hast du einen Wein offen?«
»Nein, ich war beim Arbeiten und bin bei Wasser geblieben.«
»Kein Problem, dann gehe ich eine Flasche holen.« Arkis wandte sich Jim zu. »Setz dich. Ich muss in den Weinkeller, um uns eine Flasche zu holen.«
Er wollte ablehnen.
»Für mich nicht. Ich merke, was wir alles getrunken haben.«
Arkis zwinkerte ihm zu.
»Ist ja nicht für dich allein gedacht. Salome könntest du Jim ein Glas Wasser holen.«
Sie sah ihn wieder prüfend an, nickte und verschwand in einen Nebenraum, der wohl die Küche war.
Arkis ging in seinen Weinkeller.
Für einen Augenblick stand er allein, in der fremden Umgebung, die völlig verschieden von seinem Zimmer war und vom meisten was er bisher gesehen hatte. So lebte es sich wohl im Luxus.
Ehe einer von beiden zurück war, klingelte es an der Tür. Er nahm an, dass es Linda war, wusste aber nicht was er tun sollte.
Er blieb stehen.
Salome kam zurück. Stellte hastig ein Glas und eine Flasche Wasser auf den Wohnzimmertisch und sagte: »Ich mache auf«.
Sie verschwand.
Er setzte sich und hörte, wie die beiden Frauen sich begrüßten. Es klang deutlich herzlicher, als seine Begrüßung ausgefallen war.
Linda kam ins Wohnzimmer.
»So sieht man sich wieder.« Meinte sie heiter. »Na? Mittlerweile eine Spur von Terrence entdeckt?«
»Wer ist Terrence?« Wollte Salome wissen.
»Ein Freund, den Jim sucht.«
»Warum?«
»Das musst du Jim fragen.«
Linda setze sich neben ihn und im nächsten Moment kam Arkis, mit der angekündigten Flasche Wein.
Er entkorkte sie und brachte sie, samt Gläser zum Tisch.
Dann schenkte er jedem von uns, ungefragt ein Glas ein und hob sein Glas zum Anstoßen.
»Auf dieses Irrenhaus in dem wir alle leben!« Erklärte er.
»Papa!« tadelte ihn Salome.
Was Jim überrascht zur Kenntnis nahm. Eine Tochter und noch eine die bei ihm lebt, hätte er Arkis nicht zu getraut.
»Was ist Liebes? Ich sage ja nicht, es ist die Hölle. Aber vom Paradies wollen wir auch nicht reden – oder?«
»Ich mag es nur nicht, wenn du so zynisch bist.« Erklärte Salome. »Die Welt wäre schöner, wenn sich alle nur ein bisschen vernünftiger verhalten würden.«
Jim fragte sich, ob Salome wusste, mit was ihr Vater sein Geld, neben dem »Aarans« verdiente, um ihr damit dieses schöne Zuhause und vermutlich ein teures Studium zu ermöglichen.
»Hast ja recht. Zum Wohl.«
Jeder trank seinen Schluck.
Dachte er, an seine Gespräche mit Terrence, erschien Jim, das Bild von der Welt, als Irrenhaus nicht ganz falsch.
»Vielleicht ist es gar nicht zynisch.« Meinte Jim, als er sein Glas abstellte. »Vielleicht ist es sogar ziemlich realistisch, von einem Irrenhaus zu sprechen.«
Salome betrachtete ihn, mit erkennbar nicht gewachsener Sympathie.
»Kann ja sein, dass ihr euch mit einem negativen Weltbild wohl fühlt. Ich habe das Gefühl, je abfälliger sich Menschen über das Leben äußeren, desto weniger sorgen sie dafür, dass es besser wird.«
Jim ließ sich nicht einschüchtern.
»Warum ›negativ‹? Vielleicht einfach nur realistisch. Erschütternd, ernüchternd realistisch. Überall Hunger, Krankheit, Krieg und Not und trotzdem wird an anderer Stelle gefressen; haben Einzelne Geld, Häuser, Autos, Flugzeuge, Schiffe die sie niemals brauchen und nutzen werden. Es regieren nicht die Klugen die Welt, sondern die Listigen. Es häufen die Macht und Ansehen und Reichtum an sich, in deren Innerem alles in Schutt und Asche liegt, während die Gesunden und Sozialen in Schutt und Asche leben müssen.«
»Das ist überzeichnet!« Wehrte sich Salome.
»Wenn es nur zur Hälfte stimmt, ist es schlimm genug.«
»Das ist trotzdem kein Grund!«
»He! He! He!« Unterbrach Arkis die Diskussion. »Jetzt mal nicht so hitzig. Wir wollen die Nacht ausklingen lassen und nicht die Probleme der Welt lösen. Das könnt ihr Zwei morgen beim Frühstück machen. Lasst uns noch ein Gläschen trinken und dann gehen wir wohl alle besser zu Bett.«
Mit einem strengen Blick signalisierte Salome ihre Zustimmung und alle fügten sich in Arkis Wunsch.
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