Niemandsland – No man´s land – (5)

5.

Den Rest des Tages verbrachte er damit, durch die Straßen zu streifen und die Menschen zu beobachten, wie sie ihre Leben verbrachten: lachend, nachdenklich, Gedanken verloren, streitend, achtlos.
Er blieb, bis der Abend zu dämmern begann.
Mittlerweile waren seine Beine, vom Herumlaufen, müde. Er hatte keine Lust, den Weg zu Fuß zurück zu nehmen. Stattdessen entschied er sich für ein Taxi.
»Wo soll ich hinkommen?« Fragte der Fahrer.
Er brauchte einen Moment, um die Frage zu beantworten und reagierte trotzdem falsch.
»Ich bin in der Stadt.«
»Sie sind ein Scherzkeks! Davon gehe ich aus. Wir haben fast 10000 Straßen, ein bisschen genauer müssten Sie sein.«
Er beschrieb, was er um sich sah.
Der Fahrer hörte geduldig zu.
»Okay. Ich habe eine Idee. Schauen sie sich noch mal um.«
Das machte er.
»Sehen Sie die Statue?«
»Ja.«
»Stellen Sie sich davor. Da kann ich, in dem Gedränge heute, am besten parken.«
»Okay, mache ich.«
Kurz danach nahm er auf dem Beifahrersitz im Taxi Platz.
Zurück in seinem Zimmer aß er Pizza, die er sich vom Lieferdienst, zum Hotel, bringen ließ.
Er aß sie aus der Schachtel, auf dem Bett sitzend, während ihm gegenüber, der Fernseher lief.
Bilder der Welt flutenden den Raum: schreckliche Bilder eines Nachrichtensenders, der eine Sondersendung zu einem neuen Krieg anbot, in einem roten Ticker liefen parallel die sonstigen Unglücke der Welt die man leicht verpassen konnte. Rechts, am Bildschirm, flackerte eine Übersicht aktueller Börsendaten und links Einblendungen, welchen Ausstattern die Moderatoren ihre schicke Kleidung zu verdanken hatten.
Fasziniert betrachtete er, die Bilder des Krieges, die Bilder einer Welt die so viel schöner hätte sein können: bettelarme Kinder in zerlumpten Kleidern, hysterische Frauen, zornig starrende Männer. Eine Umgebung aus zerstörten Häusern, durch die, ein Ambulanzfahrzeug raste, um die nächsten Opfer, in eines der nahe gelegenen Krankenhäuser, zu bringen.
So wechselten die Eindrücke: Nachrichten vom Sport, Nachrichten vom Börsenparkett, neues aus der Welt der Promis, neuer Krieg, neuer Hunger, neue Krankheiten, neue Umweltzerstörung, neue Apokalypse, neuer Niedergang der Menschheit, Bilder aus dem 2. Weltkrieg, eine Dokumentation über ein Gefängnis in Brasilien, ein Bilderrausch aus Verzweiflung und Not, eine fortwährende Hölle, mit einem Grundthema, welches die Betrachter gar nicht zu bemerken schienen, sonst hätten sie ja abgeschaltet: das Elend.
Zu sehen waren die vielen Wirklichkeiten der Welt. Jede davon war eine Hölle für sich. Es gab die Hölle des Hungers und der Gebrechen in der Dritten Welt und die Hölle der Depression und der Tumore in der Ersten.
Hörte man die Rubrik »Neues aus der Welt der Promis« oder die »Modewelt in diesem Jahr«, drängte sich der Eindruck auf, als versuchten sich manche den Strafen zu entziehen, welche in dieser Welt für sie vorgesehen waren. Es schien, als versuchten sie so viel Schutz und Wohlstand, Reichtum und Macht um sich zu bauen, dass sie nicht in Gefahr kamen, vom Elend der Welt gepackt zu werden oder in irgendeiner der Folterhöhlen zu landen.
Aber da die Welt eine Hölle blieb, entkamen sie nicht: dann starben ihre Kinder früh oder wurden drogensüchtig oder ihre Firma ging Pleite oder ihr Betrug wurde aufgedeckt oder sie lebten einfach in der Hölle ihres perfekten, belanglos gewordenen Wohlstandes, wie Künstler, die ihre größten Werke erschaffen, wenn sie bettelarm sind und die, je satter sie werden, nur banales fabrizieren.
Ein kräftiges Klopfen an der Tür, schreckte ihn aus seinen Gedanken.
Er griff hastig nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus.
Schlagartig wurde es düster im Zimmer. Der Bildschirm war das einzige Licht gewesen und hatte die einzigen Farben in den Raum geworfen. Jetzt wurde es kurz hell, wenn die Neonröhren der Außenbeleuchtung aufflackerten.
Er wog ab, ob es besser war zu kämpfen oder zu fliehen. Aber er kam nicht weit mit der Frage.
Wieder pochte es gegen die Tür.
Drei feste Schläge: BUMM! BUMM! BUMM!
Er rührte sich nicht.
Dann hörte ich eine dunkle Stimme, die durch die Tür hindurch sagte: »Mach auf! Wir haben dich gefunden. Es ist besser, wenn wir reden.«
Er fühlte nicht die Kraft, sich dieser Stimme zu widersetzen.

© E.S. 2024

5.

He spent the rest of the day roaming the streets and watching people go about their lives: laughing, thoughtful, lost in thought, arguing, heedless.
He stayed until evening began to dawn.
By now his legs were tired from walking around. He had no desire to take the path back on foot. Instead, he opted for a taxi.
„Where am I to go?“ The driver asked.
It took him a moment to answer the question and he still reacted incorrectly.
„I’m in town.“
„You’re a joker! I assume so. We have almost 10,000 streets, you would have to be a little more precise.“
He described what he saw around him.
The driver listened patiently.
„Okay. I’ve got an idea. Look around again.“
That’s what he did.
„Do you see the statue?“
„Yes.“
„Stand in front of it. That’s where I can park best in today’s crowd.“
»Okay, fish itch.«
Shortly afterwards, he took a seat in the passenger seat in the taxi.
Back in his room, he ate pizza, which he had brought to the hotel by the delivery service.
He ate them out of the box, sitting on the bed while the TV was on opposite him.
Images of the world flooded the room: terrible images of a news channel that offered a special program on a new war, in a red ticker ran parallel the other misfortunes of the world that could easily be missed. On the right, on the screen, an overview of current stock market data flickered and on the left overlays to which outfitters the presenters owed their chic clothes.
Fascinated, he looked at the images of war, the images of a world that could have been so much more beautiful: destitute children in ragged clothes, hysterical women, men staring angrily. An environment of destroyed houses, through which an ambulance raced to take the next victims to one of the nearby hospitals.
So the impressions changed: news from sports, news from the stock exchange floor, news from the world of celebrities, new war, new hunger, new diseases, new environmental destruction, new apocalypse, new decline of humanity, pictures from the 2nd World War, a documentary about a prison in Brazil, a frenzy of images of despair and hardship, a perpetual hell, with a basic theme that the viewers didn’t even seem to notice, otherwise they would have switched off: the misery.
The many realities of the world could be seen. Each of them was a hell of its own. There was the hell of hunger and infirmity in the Third World, and the hell of depression and tumors in the First.
If you listened to the column „News from the world of celebrities“ or the „Fashion world this year“, you got the impression that some were trying to escape the punishments that were intended for them in this world. It seemed as if they were trying to build so much protection and prosperity, wealth and power around themselves that they were not in danger of being gripped by the misery of the world or ending up in any of the torture caves.
But since the world remained a hell, they did not escape: then their children died early, or became addicted to drugs, or their company went bankrupt, or their fraud was exposed, or they simply lived in the hell of their perfect, inconsequential wealth, like artists who create their greatest works when they are destitute, and who, the fuller they become, only fabricate banal things.
A strong knock on the door startled him out of his thoughts.
He hastily grabbed the remote control and turned off the TV.
Suddenly it became gloomy in the room. The screen had been the only light and had thrown the only colors into the room. Now it became light for a short time when the neon tubes of the outdoor lighting flickered.
He weighed up whether it was better to fight or flee. But he didn’t get far with the question.
Again there was a knock on the door.
Three firm strokes: BOOM! BOOM! BOOM!
He did not move.
Then I heard a dark voice saying through the door, „Open the door! We’ve found you. It’s better if we talk.“
He didn’t feel the strength to resist that voice.

© E.S. 2024

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